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Nur die inneren Werte zählen

Autorenbild: Jennifer WillertJennifer Willert

„Ich habe dauernd Bauchschmerzen!“, jammert meine Tochter beim Frühstück am frühen Morgen und drückt sich mit ihrer Hand und schmerzverzerrtem Gesicht in den Bauch unterhalb des linken Rippenbogens.

„Und übel ist mir auch öfters!“, fügt sie mitleiderregend hinzu.

Am gleichen Tag noch mache ich für sie einen Termin bei unserem Hausarzt aus.

Am nächsten Tag habe ich die gleichen Symptome. Mir fällt ein, dass ich die letzte Zeit ebenfalls ein wiederkehrendes Druckgefühl in der Magengegend gespürt habe– direkt unter den Rippen.

Verwirrt fange ich an im Internet zu googeln. „Schmerzen und Druckgefühl im linken Oberbauch“, gebe ich in die Tastatur ein.

„Tod, Elend und Verdammnis sind die Antworten, die mir Google ausspuckt.

Schnell schalte ich das Laptop wieder aus und wähle stattdessen die Nummer unseres Arztes.

„Natürlich können sie auch miteinander zum Termin kommen!“, nuschelt die freundliche Dame an der Anmeldung ins Telefon. „Das bleibt ja sozusagen in der Familie!“, versucht sie es mit einem Scherz.

Pünktlich um 15 Uhr stehen meine Tochter und ich am kommenden Montag vor der Arztpraxis. Ihre Bauchschmerzen haben sich auf wundersame Weise verflüchtigt, als sie von mir hört, dass eine eventuelle Blutabnahme unumgänglich sein könnte. Mein Töchterchen hat eine ausgeprägte Spritzenphobie!


Ein einziges Mal, im zarten Alter von zweieinhalb Jahren wurde ihr in der Kinderarztpraxis Blut abgenommen.

Ich erinnere mich noch lebhaft an diesen Tag. Schreiend und wild mit den Armen fuchtelnd rannte sie um den antik aussehenden Schreibtisch im Sprechzimmer des Kinderarztes. Das Fang- und Versteckspiel fand erst sein Ende, als ich sie mit meinem ganzen Körpergewicht auf der Liege fixierte, während der Arzt die Blutabnahme am - zwischenzeitlich völlig aufgelösten Kind - vornahm. Das Endresultat waren die Bestimmung der erforderlichen Blutwerte und die Geburt einer panischen Angst vor Spritzen.


Im Behandlungszimmer sitzen wir gemeinsam vor dem Schreibtisch des Arztes und sein Blick gleitet zwischen meiner Tochter und mir hin und her.

Bisher kannte er nur mich.

„Meine Tochter! Ich weiß, wir sehen uns nicht besonders ähnlich – sie kommt eher nach ihrem Vater!“, stelle ich sie lächelnd vor.

Im Wechsel erzählen wir von unseren Symptomen, von den Schmerzen, dem Druckgefühl und der gelegentlichen Übelkeit und werden nacheinander zum Bauchultraschall in das angrenzende Nachbarzimmer mitgenommen.

Als wir wieder vor dem Schreibtisch Platz genommen haben erklärt uns der Arzt: „Viel Luft im Bauch und die Milz wirkt etwas dicklich und plump!“

„Die Milz von wem?“, frage ich ihn mit gerunzelter Stirn .

„Von beiden!“, antwortet der Doktor, während er hochkonzentriert etwas in seinen Computer tippt.

Ich lache los. „Soll das bedeuten, dass wir uns rein äußerlich nicht besonders ähnlich sehen, aber unsere Milz schon?“

Jetzt ist es der Arzt, der lacht. „So könnte man das ausdrücken!“

Kurze Pause und dann: „Alles weitere klärt sich über die Blutwerte!“

Meine Tochter zuckt unwillkürlich zurück und wird blass. Das bleibt auch dem Arzt nicht verborgen und er blickt auf.

Neugierig mustert er sie über seine Brille hinweg. „Angst?“

Wir klären ihn auf und er lächelt milde. „Dann versuchen wir es bei dir erst einmal mit LEFAX und nehmen heute nur deine Mutter zur Blutabnahme mit.

„Sehe ich da ein schadenfreudiges Grinsen?“. Mit hochgezogenen Augenbrauen werfe ich meiner Tochter einen empörten Seitenblick zu.

„Das täuscht!“, entgegnet sie mit gespielter Unschuld

Nach der Blutabnahme laufen wir zusammen nach Hause.

Meine Tochter lächelt zufrieden vor sich hin.

„Was grinst du denn die ganze Zeit so blöd?“, frage ich sie misstrauisch.

„Ganz einfach! Ich dachte ich hätte zugenommen... und jetzt weiß ich, dass mein Bauch nur deshalb so dick ist, weil da zu viel Luft drin ist!“

Wir kichern los.

Wahrscheinlich hat ein Freund von mir doch recht. „Was raus muss, muss raus!“, pflegt er des Öfteren zu sagen. Vielleicht sollte man doch manchmal einfach ungeniert pupsen! Dann muss man sich wenigstens nicht mit einem unangenehmen Druckgefühl im Bauch aufgrund von Blähungen herumschlagen. Darüber werde ich einmal nachdenken. :)

Mittlerweile haben wir die Apotheke erreicht: „Wir teilen wirklich alles miteinander!“, stelle ich fest. „Wohnung, Essen, die tiefsten Geheimnisse und jetzt auch noch unsere Blähungen!“

Wir bleiben stehen.

„Und weißt du, was das Beste ist?“, fragt meine Tochter weiter.

„Da wir jetzt wissen, dass wir die gleichen Symptome, Organe und Beschwerden haben, reicht es ja für zukünftige Befunde völlig aus, wenn man nur bei dir Blut abnimmt!“


Darüber müssen wir uns bei Gelegenheit noch einmal unterhalten!






 
 
 

1 Comment


Guest
Feb 22

Kluges Mädchen

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